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Hochwasser in der „Füerstatt" in Katzem

sonstiger Name: Zeitzeugenbericht zum Hochwasser
20. Jhrd.

Theo Schläger, gebürtiger Katzemer, einstiger Schulleiter in Lövenich und Mundartexperte im Heimatverein der Erkelenzer Lande, erzählt von den regelmäßigen Überschwemmungen in Katzem.

Vorbemerkung

In Katzem heißt eine Straße „Vorstadt“, ein völlig falscher Name. Die Namensgeber konnten mit Sicherheit kein Platt. Hätten sie Platt gesprochen, wären sie nicht auf diesen absurden Namen gekommen. Im Volksmund hieß die Straße „Füerstatt“, also Feuerstätte. Der Überlieferung nach (Schulchronik) gab es da in früheren Zeiten eine Schmiede, wo immer Feuer brannte. Und da holten sich die Ur-Bewohner ihr Feuer für zu Hause. Da das aber längst nicht mehr nötig war, geriet das in Vergessenheit. Nur der Name blieb. Leider wurde der dann falsch „übersetzt“. Meines Wissens ist Katzem das einzige Dorf in Deutschland, das eine „Vorstadt“ hat.

Hochwasser

In fast jedem Frühjahr gab es Hochwasser in der „Füerstatt“, der am tiefsten gelegenen Straße in Katzem. Das Hochwasser kam von Jackerath her aus dem gesamten Kessel nach Katzem hin.

© Theo Schläger | Karte Einzugsgebiet Wasser
Einzugsgebiet des Wassers

 Ein Strom bis zu 1,20 m Höhe durchflutete das Unterdorf. In manchen Häusern, die sehr tief lagen, stand das Wasser dann fast bis zur Zimmerdecke.

Wenn das Wasser kam, war fast das ganze Dorf auf den Beinen, jedenfalls all die, die helfen konnten. Es mussten Möbel und Geräte hochgestellt werden, die Menschen versorgt werden. Ältere Menschen kamen bei Verwandten oder Bekannten unter. Das Vieh musste zum Oberdorf geschafft werden. Es hatte sich im Laufe der Jahre ein geregeltes Hilfsprogramm entwickelt, so dass niemand ernsthaft zu Schaden kam.

Meine Oma wohnte in einem der am tiefsten gelegenen Häuser. Sie verzog sich in die erste Etage und weigerte sich immer, das Haus zu verlassen. Mein Vater war gezwungen, sie irgendwie zu versorgen. Er brauchte dazu eine Leiter, die als Steg von einem Stalldach aus in das Schlafzimmerfenster meiner Oma führte. Ein waghalsiges Unternehmen! Aber meine Oma blieb stur bei ihrer Entscheidung. Nur ein einziges Mal hat sie das Haus verlassen, weil das Wasser so hoch stieg, dass sie sogar Angst vor einer Überflutung oberhalb der Zimmerdecke hatte. Sie wohnte für ein paar Tage bei uns.

Während so einer Versorgungsaktion über die Leiter, wo mein Vater auch wegen seiner Behinderung mehr kriechend diesen Weg zurücklegte, war ihm die Brieftasche herausgerutscht und vom Wasser weggespült worden. Nicht nur Geld, sondern vor allem seine Papiere waren darin. Die Hilfsaktion schien so böse Folgen zu haben. Tage später kam ein Junge und brachte meinem Vater die Brieftasche. Sie hatte sich im Garten der Familie an einem Strauch verfangen. Da hatte er sie gefunden. Überglücklich war da mein Vater, aber auch der Junge, weil ihm mein Vater ein dickes Trinkgeld schenkte. Meine Mutter hat die Papiere getrocknet und gebügelt, so dass sie wieder brauchbar waren.

Dass die Grundschule den Namen „Nysterbach-Schule“ bekam, hat auch etwas mit dem Hochwasser zu tun. Ich unterfütterte die Namensgebung mit dem Gedanken der uneingeschränkten Hilfeleistung der Dorfbewohner, wo jeder mit anpackte, der Hände hatte, und gab diese Haltung dem Namen bei. Man könnte auch sagen, der Name steht auch für „Nachbarschaftshilfe“ und „Nächstenliebe“.

Hochwassertaxi

Wenn in Katzem das Hochwasser durch die Vorstadt schoss, dann waren wir in der „Bööschjaat“ von allem abgeschnitten. Weder die Geschäfte noch die Schule oder die Kirche waren erreichbar. Höchstens auf dem Umweg über Kleinbouslar und Lövenich. Da aber nicht jeder die Möglichkeit hatte, musste es Notlösungen geben. Wir mussten ja versorgt sein.

© Theo Schläger | Hochwassertaxi
Zeichnung von Theo Schläger

Die Rettung war das Hochwassertaxi. Beim Pferdezüchter Küppers gab es ein Pferd, das hochwassertüchtig und -erprobt war. Josef Plum, ein Pferdebursche auf dem Bauernhof, spannte dann dieses Pferd vor eine Karre und kam vom Oberdorf durch das Hochwasser in die Bööschjaat. Wir Schulkinder stiegen mit unseren Tornistern auf die Karre und er brachte uns so durch das Hochwasser zur Schule. Es war schon ein merkwürdiges Gefühl, auf der Karre zu stehen oder zu sitzen rundum von rauschendem Wasser umgeben, aber auch irgendwie aufregend. Mittags holte er uns auch wieder an der Schule ab. Die gleiche Prozedur wiederholte sich dann für das Einkaufen. Da es ja noch keine Kühlschränke gab, musste immer alles frisch eingekauft werden. Die Hausfrauen schrieben auf einen Zettel mit Namen, was sie beim Bäcker Hilgers, bei der Metzgerei Rentmeister/Krummen oder bei Lebensmittel Kuhlen brauchten, und übergaben sie in einem Korb Josef Plum und schickten ihn los.

Er kaufte für alle ein und brachte die vollen Körbe zu den Familien. In den Geschäften wurde angeschrieben und später bezahlt. Josef Plum verdiente sich so manches Trinkgeld. Das Taxi war allerdings kostenlos.

Da es sich aber immer nur um wenige Tage handelte, war das dennoch kein großes Problem dank Hochwassertaxi. Umso größer und länger andauernd waren dann die Aufräumarbeiten, bei denen sich aber viele Leute aus dem ganzen Dorf helfend beteiligten. Das Dorf war halt eine Hilfsgemeinschaft.

Bei meiner Haus-Geburt war auch gerade Hochwasser. Mein Vater musste da die Hebamme, Frau Franken, aus Lövenich mit dem Motorrad über Kleinbouslar abholen, damit sie Geburtshilfe leisten konnte.1

  1. Text von Theo Schläger 2025 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.

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