Vorbemerkungen
Es gibt keine Ortschaft oder Stadt, in der keine Traditionen gepflegt werden. Dazu gehören etwa die Kirmessen, Schützenfeste, Kirchenfeste, Karnevalsbräuche. Obwohl wir sie häufig mit den gleichen Begriffen bezeichnen, unterscheiden sie sich in der Ausführung doch von Ort zu Ort. Ein Schützenfest in Gerderath verläuft anders als das in Keyenberg.
Für Keyenberg war – wie für vier weitere Orte auch – bis 2022 geplant, sie durch den Braunkohleabbau Garzweiler II in Anspruch zu nehmen. Die Umsiedlungen der Menschen waren bereits nahezu abgeschlossen. Dann erfolgte das Umdenken in der Politik und die fünf Ortschaften sollten nicht abgerissen werden. Sie bestehen seit dieser Zeit sozusagen zweimal, einmal als ursprünglicher Ort, einmal als Umsiedlungsort. Da in den alten Dörfern kaum noch ehemalige Einheimische wohnen und sie in Zukunft bestimmt von Zugezogenen bewohnt werden, sollen hier die Dorftraditionen in den alten Dörfern Keyenberg, Ober- und Unterwestrich und Berverath beschrieben werden, um die Erinnerung daran zu erhalten. Vieles ist zwar in die neuen Dörfer mit umgezogen, wird dort aber notgedrungen in einer anderen Form gezeigt.
Traditionen im alten Dorf
Viele Traditionen werden von den Vereinen im Ort, Nachbarschaften oder der Kirchengemeinde getragen. Dies war in den alten Dorfern so und ist auch in den Umzugsorten so. Die Darstellung folgender Gepflogenheiten erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Wem eine wichtige Tradition fehlt, möge es dem Autoren mitteilen. Er nimmt sie gerne in die Beschreibung mit auf.
Fronleichnam
In vielen Kirchengemeinde führt eine Fronleichnamsprozession durch die Gemeinde oder die Felder. Mit der abnehmenden Frömmigkeit der Menschen und der Zusammenlegung von Pfarrgemeinden zu Pfarrverbänden änderten sich notgedrungen auch die Riten der Fronleichnamsprozessionen. Davon blieb auch Keyenberg nicht verschont.
Jahrhundertelang ging der Weg jedes Jahr durch die Felder nach Berverath und wieder zurück. Ein Zeitzeuge beschreibt den Weg, den er als Messdiener in den 1940er und 1950er Jahren mitgegangen ist, folgendermaßen:
Nach der kurzen Messe um 8:30 Uhr oder 9:00 Uhr ging die Prozession zunächst zum Wegekreuz an der Borschemicher Straße zum ersten Segen. Von dort aus wendete die Prozession und hielt jeweils am Wegekreuz am Markt und am Postweg. Der weitere Weg erfolgte zum Wegekreuz in Oberwestrich, von dort aus zur Sankt Josefskapelle in Berverath, in der eine Andacht gehalten wurde. Hier machte die Prozession eine Pause, weil Frau Hilgers für Herrn Pastor ein Frühstück vorbereitet hatte. Anschließend erfolgte der Rückweg über Unterwestrich mit Segen am Wegekreuz zurück zum Abschlusssegen in der Pfarrkirche Heilig Kreuz. Gegen 12:00 Uhr endete die Fronleichnamsprozession.
Der Zeitzeuge wies etwas schmunzelnd darauf hin, dass mit jedem erreichten Dorf die Prozession kleiner wurde.
Die Teilnahme an den Prozessionen nahm in den 1980er Jahren weiter ab, so dass der Pfarrgemeinderat den Zugweg änderte. Im jährlichen Wechsel ging er nun entweder nur durch den Ort Keyenberg oder durch die Felder nach Berverath. Am Ende des 20. Jahrhunderts zeichnete sich ein zunehmender Priestermangel ab, der dazu führte, dass ein Priester mehrere Gemeinden führen musste. Das hatte Auswirkungen auf die Fronleichnamsprozessionen: Im Wechsel wurden die Prozessionen in einer der Gemeinschaften der Gemeinden durchgeführt. Wenn Keyenberg an der Reihe war, wurde der traditionelle Zugweg genommen.
Zur Tradition gehörte selbstverständlich auch das Schmücken der Wegekreuze. Dies machten die Nachbarschaften. Bis in die 1960er Jahre wurden auch die Straßen sowie Hauseingänge und Fenster geschmückt. An den Wegrändern wurden kleine Holzkreuze mit einem Fähnchen aufgestellt. Die Frauen und Mädchen pflückten in den Wiesen und Feldern Wildblumen und streuten die Blüten auf die Straßen.
Pfarrfest
Ab den 1970er Jahren organisierte der Pfarrgemeinderat alle zwei Jahre ein Pfarrfest auf dem Schulhof. Alle Vereine halfen bei der Organisation mit, so dass immer ein schönes Fest für Jung und Alt entstand. Bis in den späten Nachmittag konnten die Erwachsenen bei Getränken, Grillen und Kaffee und Kuchen miteinander klönen. Für die Kinder waren Spielgeräte oder Jahrmarktstände aufgestellt, so dass sie miteinander spielen und sich messen konnten.
Klappern in der Karwoche
Bekanntlich „fliegen“ die Glocken in der Karwoche von Gründonnerstag bis zur Ostermette nach Rom, das heißt, es darf nicht geläutet werden. Um den Verlust des Geläutes zum Engel des Herrn akustisch mitzuteilen, fuhren die Messdiener mit ihren Rädern durch die Dörfer der Pfarre Keyenberg und klapperten mit Holzklappern um 7:00, 12:00 und 18:00 Uhr.
Am Karsamstag gingen die Messdiener dann von Haus zu Haus und sammelten für ihre geleistete Arbeit gekochte Ostereier ein. Manchmal gab es auch die eine oder andere Geldmünze dazu. Die Spenden wurden im Pfarrgarten zusammengetragen und gerecht untereinander geteilt.
Erntedank
Zum Erntedankfest am ersten Sonntag im Oktober gestaltete traditionell die Keyenberger Feuerwehr den Altar in der Heilig Kreuz Kirche mit Früchten des Feldes und der Gärten als Zeichen des Dankes an Gott, dass er den Landwirten ein ertragreiches Jahr geschenkt hatte. Nach dem Gottesdienst feierte die Feuerwehr im Feuerwehrhaus ein Fest für die Mitglieder und die Bevölkerung mit Grillen, Getränken, Kaffee und Kuchen.
Maibaum
Auf dem Marktplatz wurde am 30. April immer ein mit Girlanden und Bändern geschmückter Maibaum von der Keyenberger Feuerwehr unter Anteilnahme der Bevölkerung gesetzt. Ab und zu kam es vor, dass Junggesellen aus benachbarten Dörfern diesen schönen Baum in der Nacht absägten. Der Versuch, die Maibäume in den Nachbarorten anzusägen, schien ebenso Brauch zu sein wie das Setzen, denn man sagt auch Keyenberger Junggesellen nach, dies versucht zu haben.
Wenn der Maibaum stand, feierten die Feuerwehrkameraden in der Gaststätte ihr geglücktes Setzen. Etwa zum Ende des 20. Jahrhunderts kam eine Schützengruppe auf die Idee, am Baum Nachtwache zu halten, damit keiner mehr auf die Idee käme, ihn zu stehlen. Sie gestaltete schließlich ein Fest daraus, an dem die Bürger Keyenbergs Anteil nehmen konnten. Es wurde getrunken und gefeiert.
Martinszug
Hier wird der Leser einwenden, das sei doch kein typisch Keyenberger Brauch. Stimmt! Aber die Umstände, die zum Martinszug führten, sind besondere. Die Feuerwehr sammelte im Vorfeld in den Haushalten der zu der Kirchengemeinde gehörenden Orten Geldspenden, so dass jedem Kind nach dem Martinszug eine große Tüte mit Süßigkeiten und Obst übergeben werden konnte. Die Feuerwehr sorgte auch für das Feuer, den Sankt Martin und den Bettler, so dass den Kindern nach ihrem Zug durch das Dorf die Mantelteilung vorgespielt werden konnte.
Karneval und Umzug
Der Männergesangverein „Concordia“, die Frauengemeinschaft, der St. Josephs Musikverein (im Karneval Juppeklub genannt) und ab den 2010er Jahren die Grubenrandpiraten gestalteten im 20. und 21. Jahrhundert Karnevalssitzungen, zunächst im Saal Langmann (Keyenberger Hof), später in der Mehrzweckhalle.
Ein Umzug an Veilchendienstag startete erstmalig nach der Gründung der Grundschule im Jahre 1972. Er galt als Schultag für alle Kinder, auch den auswärtigen. Im Laufe der Zeit schlossen sich Gruppen aus dem Dorf an. Meist lud man in Ermangelung eines Prinzenpaares das Prinzenpaar eines benachbarten Ortes, meist Venrath, ein, auf dem Markt Hof zu halten. Vom Balkon des Lebensmittelgeschäftes Bartel wurden dann Kamelle in die Menge geworfen. Der Umzug endete danach in der Mehrzweckhalle bei einem Umtrunk für die Erwachsenen und mit dem Schulschluss für die Schulkinder. Nach der Pensionierung von Theo Clemens im Jahre 1999 übernahmen die nachfolgenden Schulleiterinnen den Brauch des Kinderkarnevalszuges nicht mehr. Der Zug wurde dennoch von der Dorfgemeinschaft, ab 2011 von den Grubenrandpiraten weiter organisiert und durchgeführt.
Auch im Umsiedlungsort wird die Tradition des Saal- und Straßenkarnevals weiter fortgesetzt.
Schützenfest
Die ältesten Traditionen des Dorfes gestaltet die Schützenbruderschaft in Keyenberg mit der Ausrichtung des Schützenfestes. Diese Traditionen werden umfangreich im Artikel zur Sankt Sebastianus Schützenbruderschaft Keyenberg beschrieben. Mit einem Klick auf den Link können Sie die Gepflogenheiten nachlesen. Im Umsiedlungsort werden diese Traditionen fortgesetzt.
Hexen
Ein weiterer Brauch ging von den Schützen aus: Das Hexen im Keyenberger Hof! Am Neujahrstag trafen sich meist Männer des Dorfes im Keyenberger Hof, um das neue Jahr durch Hexen einzuleiten. Hierbei sollten allerdings keine Geister vertrieben werden. Hexen ist eine Verlosung durch Kauf von Spielkarten. Die Karten mehrerer Kartenspiele wurden verkauft. Der Spielleiter zog dann nacheinander eine Karte aus einem Satz eines vollständigen Kartenspiels und zeigte sie in die Runde. Diese Karte wurde nun als Niete aus dem Spiel genommen. Bei den letzten 10 Karten soll regelmäßig ein Verkaufsrun auf diese restlichen Karten begonnen haben. Jeder wollte möglichst die gewinnträchtigen Karten von anderen Spielern aufkaufen. Die Besitzer der letzten drei Karten erhielten einen Preis, häufig eine Flasche hochprozentigen Alkohols.
Da im neuen Ort keine Gaststätte mehr existiert, wird dieser Brauch nicht mehr praktiziert.
Schlussbemerkung
Die Umsiedlung von Keyenberg hat Gott sei Dank nicht zur Auflösung der Bräuche geführt. Die meisten werden dort, wenn auch in anderer Form weiter gepflegt.1



































